Nach einer Woche Spital darfst du endlich wieder nach Hause. In deinen ersten zwei Lebensmonaten durftest du erst einen Tag zu Hause verbringen. Ich freue mich natürlich unglaublich, dich wieder nach Hause zu nehmen, gleichzeitig bin ich aber irgendwie nervös. Es ist nämlich meine erste Autofahrt mit dir alleine. Du schaust mich mit grossen Augen an, deine Hände verschränkst du vor deiner Brust, aber du siehst entspannt aus. Ich atme tief durch und starte das Auto. Wir fahren los.
Du weinst. Ich lasse „You are my sunshine“, gesungen von Johnny Cash, laufen und du beruhigst dich sofort wieder. Das Lied habe ich dir auf der IPS und der Neo immer vorgesungen. Es wirkt Wunder. Bei jeder Fahrt.
„Der Sternenmann“ oder „Manna“, wie du immer so herzig sagst, läuft zum gefühlt tausendsten Mal über Spotify. Deine Augenlider werden schwer und ich kann im Spiegel sehen, dass du eingeschlafen bist. Obwohl ich jede einzelne Stelle in- und auswendig kenne, ist mir die Geschichte noch nicht verleidet. Sie beruhigt dich und hat dich schon unzählige Male in den Schlaf begleitet. Eine Autofahrt ohne „Manna“ ist undenkbar.
Ich habe einen vollen Rucksack mit Spielzeug, Malsachen und Büchern dabei, denn wir reisen nach Polen. Den Rucksack brauchen wir erstaunlicherweise nicht. Du hast dein Lieblingsplüschi „Peaches“ in der Hand und schaust gedankenverloren aus dem Fenster. Ab und zu rufst du: „Auto!“, wenn du wieder eines neben dir entdeckst. Wenn deine Geschichten laufen und du etwas zu knabbern hast, bist du zufrieden. Als Daddy ein bisschen Musik laufen lassen will, reklamierst du sofort: „Grolltroll!“ Alle paar Stunden machen wir eine Pause. Du willst natürlich immer „selber laufä“. Du sagst zu mir „Hand geh“ und wir erkunden zusammen die Raststätte, während Daddy tankt.
Wir haben deinen Sitz um 180 Grad gedreht - eine neue Perspektive für dich! Aber auch für mich - wir können uns über den Rückspiegel direkt anschauen. Ich sehe wie deine Augen aufleuchten, wenn du Bekanntes entdeckst. Begeistert rufst du: „Zug!“ und zeigst in seine Richtung. Du fragst nach Wasser und ich reiche dir deine Trinkflasche. Dann willst du ein „Guetzli“. Am liebsten immer gleich zwei auf einmal - in jede Hand eines. Es ist schön. Irgendwie sind wir nun viel näher.
Einsteigen ist nicht mehr so leicht. Am liebsten würdest du auf dem Fahrersitz selber „fahrä“ und alle Knöpfe drücken. Manchmal ist das Anschnallen ein kleiner Kampf. Geschafft! Bevor wir losfahren frage ich, welche Geschichte du gerne hören möchtest: „Leo Maus“! Hin und wieder sagst du zu mir: „Mami, schnell!“ und ich muss jedes Mal lachen. Ich bremse ein bisschen und beschleunige wieder. Du lachst und mein Herz ist voll.
Wir singen, mittlerweile gemeinsam.
„You are my…“ - „sunshine!“
„My only…“ - „sunshine!“
„You make me…“ - „happy!“
„When skies are…“ - „grey!“
„You‘ll never know…“ - „dear!“
„How much I love…“ - „you!“
„Please don‘t take my sunshine…“ - „away!“
von Emina Jovic